Erfunden haben den Muttertag – wie so vieles – die Amerikaner. Nach Österreich gebracht hat ihn die große Frauenpolitikerin Marianne Hainisch. Doch auch die Pfadfinder trugen ihr Scherflein dazu bei.
VON MICHAEL HOLZMANN (c) 11.05.2001
Wie in so vielen Fällen haben uns auch diese Sache neben Coca Cola, McDonald’s und Political Correctness die Amerikaner eingebrockt. Wie auch immer man dazu steht – am zweiten Sonntag im Mai ist es wieder einmal soweit. Der Muttertag ist allgegenwärtig.
Nach Österreich brachte die bekannte Vorkämpferin der bürgerlichen Frauenbewegung Marianne Hainisch den Muttertag. Was nur wenige wissen: Hainisch war Ehrenpräsidentin der Österreichischen Pfadfinder.
Ursprünge im England des 17. Jahrhunderts
Die Urprünge des Muttertages reichen ins England des 17. Jahrhunderts zurück. Dort wurde am vierten Fastensonntag jeden Jahres der „Mothering Sunday“ begangen, an dem die Bevölkerung ihre Heimatkirche und bei dieser Gelegenheit auch gleich die Eltern aufsuchte. Von England aus wurde dieser Brauch in die USA überliefert, wo Ann Jarvis, die Tochter eines Methodistenpredigers, 1907 die Feier eines „Mother’s day“ propagierte. 1914 wurde der Muttertag auf Vorschlag von Präsident Wilson in den USA zum offiziellen Feiertag erklärt, der fortan jeweils am zweiten Sonntag im Mai gefeiert werden sollte.
… und mit den Pfadfindern brachten 1927 Marianne Hainisch den Muttertag nach Österreich
Schon ab 1924 hatte sich die große Frauenpolitikerin Marianne Hainisch für die Abhaltung einer Feier für Mütter eingesetzt. Bis es so weit kam, haben allerdings die Pfadfinder ihr Scherflein dazu beigetragen. Marianne Hainisch war seit 1922 Ehrenpräsidentin der Österreichischen Pfadfinder und hatte daher ein Naheverhältnis zu den Pfadfindern. Anlässlich des Muttertages gibt es ein Foto von ihr, wo sie mit Pfadfindergruß am 9.5.1926 an einer große Parade des Wiener Pfadfinderkorps auf der Ringstraße teilnimmt. Der Umzug führte zum 1. Muttertag, werbewirksam aufbereitet, an Marianne Hainisch vorbei.
Wer war Marianne Hainisch?
- Marianne Hainisch wurde am 25. März 1839 als Marianne Perger in Baden bei Wien in einer gutsituierten Kaufmannsfamilie geboren.
- Mit 18 Jahren heiratete sie Michael Hainisch, den Mitbesitzer einer Spinnerei bei Gloggnitz, mit dem sie zwei Kinder bekam (darunter Michael, der später der erste österreichische Bundespräsident werden sollte).
- Als Gattin eines Textilindustriellen erkannte sie bald, wie schwierig die Lage der Arbeiterinnen war (zu dieser Zeit gerieten viele Familien von Baumwollspinnern auf Grund des amerikanischen Bürgerkrieg bzw. das dadurch ausgelöste Ausbleiben der Baumwolle auf europäischen Märkten in große Notlage) und setzte sie sich für die Verbesserung der Erwerbsvoraussetzungen von Frauen ein, die sie vor allem in gleichberechtigten Bildungsmöglichkeiten sah.
- Als Mitglied des „Frauen-Erwerbsvereins“ forderte sie als erste die Berechtigung der Frau zu jedem Beruf und verlangte 1870 in ihrer Schrift „Zur Frage des Frauenunterrichtes“ die Einrichtung von Mädchenrealgymnasien und die
Zulassung von Frauen zum Studium. - Nach langen und erbitterten Kämpfen bekam sie am 12. März 1870 die Bewilligung des ersten Gymnasiums für Mädchen. Dies gilt als Geburtsstunde der Österreichischen Frauenbewegung. Hainisch schuf aus privaten Mitteln eine sechsklassige Unterrichtsstätte (Lyzeum) für Mädchen, die 1891 Öffentlichkeitsrecht erhielt. 1892 wurde die erste Mädchenklasse mit 30 Mädchen in den Räumen des Gymnasiums in der Hegelgasse 12 eingerichtet. 1910 übersiedelte die Schule in das Gebäude Rahlgasse 4.
- Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete sie für die Fürsorge und in der Friedensbewegung mit Bertha von Suttner zusammen, nach deren Tod 1914 sie die Leitung der Friedenskommission im Bund österreichischer Frauenvereine übernahm.
- Im Herbst 1918 trat sie der Bürgerlich-Demokratischen Partei bei, elf Jahre später war sie Mitgründerin der „Österreichischen Frauenpartei“. Ihr Sohn Michael Hainisch war von 1920 bis 1928 österreichischer Bundespräsident.
- Sie war Zeit ihres Lebens in sozialen Vereinen engagiert und ab 1922 Ehrenpräsidentin der Österreichischen Pfadfinder.